Donnerstag, 27. Dezember 2007

Der erste Probetag

Na, sieh mal einer an. Obwohl mir Herr Bluthochdruck am Ende des Gesprächs noch mitgegeben hatte, ich hätte ja auch einen gewissen Standortbonus gehabt (seltsam, war ich nicht zu Besprächsbeginn die rühmliche Standorts-Ausnahmebewerberin gewesen?) und sei deswegen eingeladen worden, erreicht mich einige Tage später der Anruf, ich sei eine Runde weiter und einen Tag zum Probearbeiten eingeladen.
Dieser gestaltet sich ähnlich wie die Arbeitsprobe beim Bewerbungsgespräch: Meldungen verfassen, Handlungsmaxime: Überschrift möglichst reißerisch, "denk an die aus der BILD" (ich schlucke das erste mal). Erstes Thema: Mal wieder Tiere, zweites Thema: schwerkranke Jugendliche mit nur noch wenigen Jahren zu leben (ich schlucke das zweite Mal). Drittes Thema: Kleinkind nach 15 Operationen am Rande des Todes - "Bitte rufe die Eltern an und frage nach einem Interview" (ich würde gerne nach Hause gehen).

Zu Hause angekommen, nach regulären acht Stunden Probetag, schlottern mir die Knie und ich denke: will ich nicht - mach ich nicht.

Die Arbeitsprobe

Ich hatte mich schon auf alles mögliche eingestellt und erwartet, dass ich an einer Redaktionskonferenz teilnehmen werde, samt Themenvorschlägen meinerseits. Aufgabe war dann, aus einem kurzen Zeitungsartikel, Themenbereich herzallerliebste Tiergeschichte, in zwanzig Minuten eine Meldung mit knackiger Überschrift und zehnzeiligem Begleittext sowie imaginären O-Tönen und Bildmaterial zu verfassen. Wozu hat man jahrelang studiert - und so war es mir ein Leichtes Dinge der Richtung "Auf den Hund gekommen", "hat nen Vogel", "Lizenz zum Piepen" und der weiteren lustigen Formulierungen mehr zu verfassen.

Das Bewerbungsgespräch

Firmenstandort: etwas außerhalb, aber nicht katastrophal. Trotzdem entschied ich mich für Taxi. Taxifahrer erscheint immerhin pünktlich vor meiner Tür und, wahrscheinlich aufgrund meines ausnahmsweise gepflegten Outfits, öffnet er mir sogar den Schlag, ja den Schlag. Zumindest dachte ich, so muß sich „er öffnete ihr den Schlag“ anfühlen, schließlich nenne ich weder Auto noch Freund, der Autotüren, geschweige denn den Schlag, öffnen würde mein eigen. Dass ich ein starkes Antitranspirant, erstens extrastrong und zweitens mehrfach aufgetragen hatte, mag ein unappetitliches Detail sein, ohne jedoch hätten meine Schwitzflecken sicher schon auf dem Weg die Größe von Suppentellern angenommen.

Natürlich hatte ich mich, in guter Referat-Vorbereitungs-Tradition, umfangreich, unter Zuhilfenahme von Fachliteratur auf das Gespräch vorbereitet, die 50 häufigsten Fragen genauso beantwortet und verinnerlicht wie die 50 miesesten Fangfragen und die 50 Klippen beim Bewerbungsgespräch, ebenso auch die 50 Stärken und Schwächen. Hatte, darüber hinaus, 50 imaginäre Freunde zu meinen Stärken und Schwächen befragt und ferngesehen, schließlich gings ja in ne Fernsehredaktion.

Erster Gedanke angesichts des neuen Chefs: Bluthochdruck. Und: Kleine Männer mit hochroten Köpfen sind meiner Meinung nach mit Vorsicht zu genießen. Außerdem fehlte in seinem Gesicht Struktur, ein Bart vielleicht. Typ Stromberg / Kinderschänder.

Wie dem auch sei, es lief ganz gut, die Antwort auf die obligatorische „Warum bei uns?“ - Frage, eigentlich ja die Masterfrage, war mir plötzlich entfallen. Und ach wie schmeichelhaft: von jemanden aus meiner Heimatstadt, also dem Firmensitz, hätten sie quasi noch nie eine adäquate Bewerbung erhalten. Tja, irgendwann ist eben immer das erste Mal.

Das Bewerbungsschreiben

Sollte es ein schlechtes Omen gewesen sein, dass ich diese Stellenanzeige auf dem stillen Örtchen sitzend gelesen hatte? "Volontärin gesucht in TV-Redaktion - und das nur mit den üblichen Attributen (extrem belastbar, extrem kreativ, extrem freundlich auch unter Stress, extrem anspruchslos, was das Gehalt angeht) und ganz ohne 38 erfolgreich absolvierte Praktika und das extrem erfolgreiche und extrem kurze Studium an einer Journalistenhochschule? Und dann noch in meiner Stadt, wo ich doch sowieso gerade doppelten Mietärger an der Backe hatte und die froher Hoffnung schon gemietete - während die alte noch nicht gekündigt ist - Wohnung doch auch mal von innen sehen wollte?
WC hin oder her, dick markiert das Ding mit dem Textmarker und eine Bewerbung verfaßt.


Freitag, 21. Dezember 2007

Heute gelernt: Rechts darf nichts sein

Besser gut kopiert als schlecht selbst recherchiert lautet hier das Motto. Deswegen werden Sendungen, die ich mir sonst nicht gegen Androhung von Schlägen ansehen würde, nun von Berufs wegen von mir gesichtet. Jegliche tränenrührige Themen können, insofern sie nur in regionalen Sendungen gelaufen sind, nachgedreht werden. Nach dem Sichten guter alter Videokassetten ist wichtig, frische Kassetten in die Recorder einzulegen. Und wie war das nochmal? Genau, rechts darf nix sein, dann ist die Kassette zurückgespult und aufnahmebereit. Und wer hier beim Einlegen nicht aufpaßt, der kriegt gewaltig Ärger mit dem Obermotz.